1798 Grosse Umbrüche und Standortbestimmung in Wattenwil
Die Franzosen sind in unser Land eingefallen. In den Kämpfen verlieren unter den über 700 gefallenen Bernern auch drei Wattenwiler ihr Leben 1 : Wenger Chr., Wenger Dan. und Rohrbach And.
Das Alte Bern und die Alte Eidgenossenschaft sind zusammengebrochen. Politische Umbrüche finden statt. Die Zukunft ist ungewiss.
Hans Niederhauser beschreibt die für die Eidgenossenschaft eingetretene Zeitenwende, zitiert aus der «Actensammlung aus der Zeit der Helvetischen Republik», transkribiert und erstellt Auswertungen aus dem Bürgerregister der Kirchgemeinde Wattenwyl 2:
❝ Die Helvetische Republik 1798-1803
Nach ihrer Besetzung der Eidgenossenschaft schufen die Franzosen 1798 aus dem alten, vielfältig zusammengesetzten Staatenbund einen Zentralstaat mit Verfassung nach französischem Muster. Die Kantone wurden zu Verwaltungsbezirken und als Hauptstadt wurde Aarau bestimmt. Im Laufe des Jahres hatten alle stimmberechtigten Schweizer Bürger den Bürgereid auf die Helvetische Verfassung zu leisten. So auch in Wattenwil am 17. August 1798.
Gemäss «Actensammlung aus der Zeit der Helvetischen Republik», bearbeitet von Johannes Stocker, Bern 1887, wurde das Prozedere wie folgt verordnet:
Der Präsident solle die Eidesformel
«mit unbedecktem Haupte also verlesen:
Wir schwören dem Vaterlande zu dienen und der Sache der Freiheit und Gleichheit als gute und getreue Bürger mit aller Pünktlichkeit und allem Eifer, so wir vermögen, und mit einem gerechten Hasse gegen die Anarchie oder Zügellosigkeit anzuhangen.
Dabei werden die Mitglieder stehend und mit entblösstem Haupte zuhören und mit aufgehobner rechten Hand die Worte sprechen:
Das schwören wir!».
«Bürgerregister der Kirchgemeinde Wattenwyl
über diejenigen Einwohner, welche nach Vorschrift Gesetzes vom 13. Julii und Proclamation vom 3. Ougsten 1798 den Bürger Eyd geleistet haben. Auf Freitag, den 17. Augsten 1798, Summa 315 Mannen.
Bericht
Diejenigen, welche in nachstehendem Bürger Register nicht in den Bemerkungen notirt sind, haben alle den 17. Augsten den Eyd geleistet; jeden noch in Betreff der in der Anred bemerkten neüen Gesetzen halb, mit dem Vorbehalt, dass dieselben noch nicht bekannt, auch gegen sie eine allgemeine Billigkeit und Gerechtigkeit enthalten werden.
Solche aber, die mit * bezeichnet, waren damals abwesend oder krank und haben weither unterm 9ten Weinmonat vor Bezeügen an den Unterschriebenen gelobdt.
Es bleiben demnach nur 7 Bürger, so mit *a bezeichnet, welche den Bürger Eyd noch nicht abgelegt haben, und welche entweder krank oder anderswo im Dienst sich befinden.
Alle aber sind in nachstehendem Register eingetragen. Summa 315 Mannen.
Dass dieses Bürger Register also mit allem Fleiss aufgenommen und ausgefertigt worden seye, bezeügt
Den 18. Wintermonat 1798
Daniel Zimmermann, der Kirchgemeinde Wattenwil Agent.» ❞
(Original im Staatsarchiv Bern)
Auswertungen:
Es sind in diesem Register als Burger von Wattenwil aufgeführt: | |
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54 Zimmermann | 8 Berger |
26 Künzi | 6 Pulver |
25 Krebs | 5 Hadorn |
21 Bähler | 5 Kisslig |
20 Niederhäusern * | 4 Nussbaum |
20 Jaussi | 3 Wasem |
18 Mässerli | 2 Engeloch |
17 Wenger | 2 Kobeler |
15 Megert | 2 Portner |
12 Trachsel | 2 Rohrbach |
12 Schober | 2 Schneider |
10 Sägessenmann | je 1 Jordi, Stübi, Stähli |
(* sämtliche «von» sind weg, irrtümlich als «adelig» interpretiert) |
An Vornamen sind: | ||
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110 Christen | 4 Ulrich | |
53 Hans | 3 Ludwig | |
51 Daniel | 2 Friedrich | |
23 Bendicht | 2 Niklaus | |
16 Melchior | 1 Kaspar | |
11 Samuel | 1 Georg | |
6 Rudolf | 1 Frantz | |
6 Peter | 1 Andreas | |
5 Jakob | 1 Emanuel | |
5 Johannes | 1 Abraham | |
5 Josef | 1 Salomon | |
5 David | 1 Heinrich |
Berufe der aufgeführten Bürger: | |
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195 Bauern | 1 Messerschmied |
21 Zimmermann | 1 Salzauswäger |
11 Munitz Beamte | 1 Wäber |
6 Maurer | 1 Schreiner |
6 Küffer | 1 Kacheliträger |
4 Saager | 1 Weibel |
4 Wagner | 1 Distrikts Richter |
2 Schulmeister | 1 Maler |
2 Hächler | 1 Giesser |
2 Dünkelbohrer | 1 Glaser |
2 Deck | 1 Sattler |
2 Oeler | 1 Hufschmied |
2 Nagelschmied | 1 Wirth |
2 Korber | 1 Ziegler |
2 Müller | 1 Stampfer |
2 Fuhrmann | 1 Metzger |
2 Nagelschmied | 1 Harzer |
1 Gemeindeschreiber | 2 Dräyer |
1 Agent | 1 Uhrmacher |
1 Doktor | 1 Vikari |
Erklärungen zu selten gewordenen oder ausgestorbenen Berufen:
Munitz Beamte: Gemeindebeamte (municipalité).
Agent: Staatsvertreter.
Dünkelbohrer: Bohrte Baumstämme zu Wasserleitungen, Dünkeln, aus.
Hächler: «Hecheln», ein Arbeitsvorgang bei der Herstellung von Leinen.
Kacheliträger: Hausierte mit Haushaltkeramik.
Stampfer: In der «Stampfi» wurden Knochen zu Dünger und Tierfutter gestampft.
Harzer: Weisstannenharz diente u.a. medizinischen Zwecken (Wundheilung).
Dräyer (auch Trachsel): Drechsler.
Vikari: Pfarrhelfer.
Quellen und weiterführende Dokumentationen:
1 Gedenktafel im Berner Münster der 1798 gefallenen Berner.
2 Niederhauser Hans, Auszüge, Auswertungen und Transkriptionen aus den oben aufgeführten Quellen.