Altes Dorfschulhaus Tjeerd Coehoorn, 2018.

Fred und Cécile Zimmermann - Stiftung

Kunst und Kultur im Alten Dorfschulhaus bei der Kirche in Wattenwil



Bruchstücke aus der Geschichte Wattenwils

1832    Der Auswanderer David von Niederhäusern, aus der Lischen

Auf Anfrage von Prof. Leo Schelbert im Zusammenhang mit seiner Arbeit am Buch «Alles ist ganz anders hier, Auswandererschicksale in Briefen aus zwei Jahrhunderten» 1 unternahm Hans Niederhauser 2 Nachforschung über David von Niederhäuserns «Vorleben» in Wattenwil. Zwei sehr bemerkenswerte und informative Briefe 3 in diesem Buch stammen von David von Niederhäusern («David Niederhiser») und ein Zitat daraus lieferte gleich den Buchtitel zu Prof. Leo Schelberts Band 4:

David wurde am 8. Januar 1794 als zweites Kind des Schulmeisters David von Niederhäusern, genannt Häusler, und dessen Ehefrau Anna, geb. Stern aus der Rüti bei Riggisberg, in der Lischen zu Wattenwil geboren. Bei seiner Taufe am 19. Januar 1794 standen die beiden Grichtsässen (Mitglieder des lokalen weltlichen Gerichts) Christen Zimmermann und David Künzi sowie eine Tante väterlicherseits, Anna Häusler (von Niederhäusern), zu Gevatter. (Taufrodel 3, p. 257)

An Ostern 1810 wurde David in der Kirche Wattenwil admittiert (konfirmiert).(Verzeichnis der Admittierten Nr. 1)

Erstes Kind der Eheleute von Niederhäusern-Stern war der 1785 geborene, also neun Jahre ältere, Christian. Er blieb später im Land und hat hier Nachkommen. Vier Jahre nach David kam der Sohn Johannes zur Welt. Über dessen weiteres Leben finden sich keine Einträge in den Kirchenbüchern. Da er überdies im April 1843 einen Heimatschein ausgestellt erhielt, darf wohl angenommen werden, dass er seinem Bruder nach Amerika gefolgt ist. (Burgerrodel Wattenwil vol.1, Nr. 9)

Als in den Monaten Januar und Februar 1817 «das herrschende hitzige und gallichte Fieber» allein in Wattenwil 52 Menschen dahinraffte (was sonst einem Jahrestotal an Todesfällen entsprach), starb auch Davids Vater, Schulmeister, Grichtsäss und Kirchmeier an den Folgen dieser Krankheit. Die Epidemie war wohl eine Nachwirkung des Hungerjahrs 1816, in dem die Ernten (namentlich Getreide und Kartoffeln) der Wetterkapriolen wegen verdarben, Hunger herrschte und die Menschen schon wegen der Unterernährung geschwächt waren. David von Niederhäusern sen. verstarb zehn Tage nach seinem Kollegen, dem Schulmeister Christian Bähler, am 13. Februar 1817. Die beiden Lehrer müssen ein grosses Ansehen genossen haben, steht doch beim Todeseintrag von David von Niederhäusern aussergewöhnlicherweise eine persönliche Bemerkung des Registerführers: «Sanft ruhen diese beyden würdigen Schulmänner. Ihre Hülle begleiteten die Thränen und Segnungen der ganzen Gemeinde zu Grabe». (Totenrodel vol. Nr. 1, p.114)

Am 8. November des gleichen Jahres schloss David von Niederhäusern in der Schlosskirche Thun die Ehe mit der im siebzehnten Lebensjahr stehenden Elisabeth Jaussi, von Wattenwil, einer Waise über deren soziale Herkunft die Register keinen Hinweis liefern, bloss «Tochter der sel. Eheleuten Christen Jaussi und Anna Trachsel». Sie war am 6. Februar 1801 geboren, am 25. in Wattenwil getauft und an Ostern 1817 hier admittiert worden. (Eherodel vol. 2, p. 57)

Am 29. Juli 1819 wurde die Tochter Elisabeth geboren und am 6. August getauft. Als Taufzeugen beliebten Davids jüngerer Bruder Johannes und Davids Mutter, Anna von Niederhäusern, geb. Stern. (Taufrodel vol. 4, p. 171)

Zu Davids 28. Geburtstag, am 8. Januar 1822, wurde der Sohn Christian geboren und am 20. Januar getauft. Ein Taufpate ist erwähnenswert, weil er ein «Auswanderer» war: «Samuel Häusler, Hansen selig, von hier, im Canton Waadt wohnhaft zu buhsi (Bussy), des (Kindes) Grossvaters Bruder». (Taufrodel vol. 4, p. 204)

Trauer brachte das Jahr 1827: Am 10. Januar wurde ein Knäblein geboren, das gleichen Tages wieder verstarb, und zwei Monate darauf verschied Davids Mutter «Anna Häusler, geb. Stern, des alt Schulmeisters Davids seligs Witwe» im Alter von 68 Jahren an Brustfieber. (Totenrodel vol. 1, p.171)

Das dritte Kind, der Sohn Johannes, wurde am 12. Juni 1830 geboren und am 20. Juni getauft. Aus dem Eintrag geht hervor, dass David in die Fusstapfen seines Vaters getreten und Grichtsäss geworden ist. Sein sozialer Status in der Dorfhierarchie wird weiter noch dadurch unterstrichen, dass ein Mitglied des lokalen geistlichen Gerichts, der Chorrichter Christen Nussbaum zu Gevatter steht, ferner ein Christen Zimmermann. (Taufrodel vol. 5, p. 58, dies ist der letzte Eintrag in den hiesigen Registern). Davids Familienblatt im Burgerrodel trägt den Hinweis: «Nach Nordamerika ausgewandert». (Burgerrodel vol. 1, Nr. 220)

Nachdem er am Freitag, dem 23. März 1832, seine Habe versteigert hatte, liess sich David von Niederhäusern am 15. Mai den Heimatschein zwecks Auswanderung ausstellen. Dies gleichen Tages mit dem Götti seines Sohnes Johannes, Christen Zimmermann: «1832 May 15. Dem David von Niederhäusern, Davids sel. und der Anna, geb. Stern, getauft dahier den 19. Jänner 1794, verehelicht mit Elisabeth, geb, Jaussi, Christens sel. Tochter, damals Vater von 3 Kindern. (Auswanderer nach Amerika)».

Es kann angenommen werden, dass David von Niederhäusern und Christen Zimmermann gemeinsam nach «Motiron» (engl. Mud Run od. Muddy Run, «schlammiger, lehmiger Fluss») in Ohio ausgewandert sind. Zwei Jahre darauf liess sich Johannes von Niederhäusern ebenfalls einen Heimatschein ausstellen und wird wohl seinem älteren Bruder nach Amerika gefolgt sein. (Controlle über ausgestellte Heimathscheine Nr. 1/1828)

Zum Thema im Internet zu finden:

Prof. Leo Schelbert im Historischen Lexikon der Schweiz

Quellen und weiterführende Dokumentationen:

1 Leo Schelbert, «Alles ist ganz anders hier» ISBN 3-530-73030-0.

2 Hans Niederhauser, Recherchen über David von Niederhäusern, Transkription der Briefe.

3 Burgerbibliothek Bern, Signatur: Ms HH XXXI, Nr. 82,4.

4 Kopien der Briefe und das Buch befinden sich in der Wattenwilica der Fred und Cécile Zimmermann - Stiftung.